Was Milchproduzenten verschweigen: Kälber werden nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt.
Egal ob Biobauernhof oder konventionelle Viehhaltung: Kälber von Milchkühen werden innerhalb der ersten Lebenswoche von ihrer Mutter getrennt, häufig innerhalb weniger Stunden nach der Geburt.
Die Milchkuh wird jedes Jahr wieder geschwängert damit ihre Milchproduktion nicht nachlässt. Auch jedes weitere Kalb wird ihr weggenommen.
Die wenigsten Konsumenten wissen, dass ihre Milch aus nicht-kalbfreundlicher Herkunft stammt. Wer seine Milch im Supermarkt oder sogar im Bioladen kauft, muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Milchkuh ihr Kalb nach der Geburt weggenommen wurde.
Warum ist das so?
Die Milch der Mutterkuh ist für die Milchwirtschaft bestimmt. Damit das Kalb die Milch nicht „wegtrinkt“, wird es von der Mutter getrennt.
Auch am Biobauernhof?
Ja. In Biobetrieben muss das Kalb zwar anfangs mit „natürlicher“ Milch ernährt werden, diese trinkt es allerdings aus einem Kübel/Eimer.1 Bei der Mutter darf es nicht säugen und wird deshalb räumlich getrennt.
Aber ich sehe oft Kälber die bei ihren Müttern trinken…?!
Das sind keine Milchkühe, sondern Kühe die für die Fleischproduktion vorgesehen sind. In der Mastviehhaltung wird die Milch der Kühe im Regelfall nicht kommerziell verwertet. Deshalb dürfen diese Kälber bei der Mutterkuh bleiben und säugen.
In Österreich sind 70 Prozent der Kühe für die Milchproduktion vorgesehen (Milchvieh) und 30 Prozent für die Fleischproduktion (Mastvieh). In reinen Biobetrieben sind etwas mehr als die Hälfte der Kühe Milchkühe.2
Was hat die Trennung für Konsequenzen?
Kühe sind hingebungsvolle Mütter. Sie lecken ihre Kälber trocken, säugen und beschützen sie. Binnen kürzester Zeit erkennen sich Mutter und Kalb an Geruch und Stimme. Werden sie getrennt, schreit die Kuh tage-, manchmal wochenlang nach ihrem Kalb. Das Kalb ist ohne das Saugen von Muttermilch anfälliger für Krankheiten und entwickelt Verhaltensanomalien, wie z.B. gegenseitiges Besaugen mit anderen Kälbern.3
Warum gibt es im Supermarkt keine kalbfreundliche Milch?
Gute Frage! Kaum ein/e KonsumentIn weiß, dass selbst die beste Bio-Heumilch nicht aus kalbfreundlicher Haltung stammt. Würden die Kunden vermehrt nach kalbfreundlicher Milch verlangen, dann würden Bio- und Supermärkte womöglich eine solche auch anbieten.
Kalbfreundliche Milch ist teurer in der Produktion. Solange es keine Nachfrage vom Markt gibt, können es sich Kleinbetriebe nicht leisten, kalbfreundliche Milch separat abzufüllen.
Was kann ich tun?
Bewusstsein schaffen
Ich vermute dass viele KonsumentInnen—vor allem jene die heute schon Bio kaufen—Milch aus kalbfreundlicher Herkunft bevorzugen würden.
Es fehlt das Bewusstsein, dass Bio-Milch nicht automatisch schon kalbfreundlich ist.
Erzähle ich es weiter, reagieren die meisten Menschen betroffen. Sie wären gerne dazu bereit einen Euro mehr für kalbfreundliche Milch auszugeben.
Anreiz für Nahversorger setzen
Verlange in Bio- und Supermärkten immer wieder nach kalbfreundlicher Milch. Der Fachbegriff dafür lautet Milch aus muttergebundener Kälberaufzucht, oder auch Milch aus Mutterkuhhaltung. Wenn jeden Tag ein/e KundIn nachfragt, dann nimmt der Markt womöglich kalbfreundliche Milch in sein Sortiment auf und die Produktion wird für Kleinbetriebe rentabel.
(Meine persönliche Erfahrung ist, dass man den VerkäuferInnen fast immer erklären muss, was man mit kalbfreundlicher Milch meint. Mir wurde schon in einem Bio-Bauernladen fälschlicherweise Rohmilch als kalbfreundliche Milch verkauft. Als ich direkt beim Bauernhof nachfragte stellte sich heraus, dass es ganz normale Bio-Rohmilch war, die nicht aus muttergebundener Kälberaufzucht stammte.)
Adressen für kalbfreundliche Milch
Ich habe bei BIO AUSTRIA und der Landwirtschaftskammer nachgefragt. Es gibt noch kaum Betriebe in Österreich die sich muttergebundener Kälberaufzucht in der Milchwirtschaft verschrieben haben. Hier eine Adressen-Sammlung. Unser Ziel ist es, diese Liste stetig zu erweitern.
Weinkirnhof, NÖ
Bonnleiten 7a, 3073 Stössing (30 Minuten von Wien entfernt)
Der Weinkirnhof ist ein kleiner Biobauernhof in Niederösterreich mit rund 20 Kühen, auf dem muttergebundene Kälberaufzucht gelebt wird. Man kann kalbfreundliche Milch frisch ab Hof kaufen.
Ich habe den Betrieb im April 2017 besichtigt. Gabriela Schöffl ist die Jung-Bäuerin, die muttergebundene Kälberaufzucht am Hof eingeführt hat. Sie erzählt: „Vor einigen Jahren gab es eine Kuh die gerade ihr erstes Kalb bekommen hatte. Sie war eine besonders gute Mutter und hat stundenlang ihrem neugeborenen Kalb beim Schlafen zugesehen. Als man ihr das Kalb wegnahm, hat sie sehr gelitten. Ich habe damals entschieden, dass ich das den Tieren nicht antun möchte.“ Seitdem dürfen am Weinkirnhof die Kälber bei der Mutterkuh bleiben.
Gabriela und ihr Mann Bernhard bieten regelmäßig Besichtigungen und Events auf ihrem Hof an. Für Gruppen und Schulklassen gibt es ein geführtes Programm „Schule am Bauernhof“.
Rainer Bergbauer, VBG
Auf der Egg 183, 6867 Schwarzenberg
Der Hof von Rainer Bergbauer und seiner Frau Manuela ist ein Demeter zertifizierter Biobauernhof in der Nähe von Bregenz und Dornbirn in Vorarlberg. Seit fünf Jahren praktizieren sie reine muttergebundene Aufzucht bei allen ihren Tieren, sprich Kühe, Schafe, Schweine und Hühner.
Manuela erzählt: “Unsere Produkte stellen wir alle selber her und vermarkten diese auf den Wochenmärkten in Dornbirn und Bregenz und in unserem Hoflädele am Schwarzenberg. Wir sind stolz darauf einen Weg gefunden zu haben, wie unsere Tiere bei der eigenen Mutter groß werden dürfen.”
Aus muttergebundener Aufzucht kann man dort nicht nur Milch sondern auch Joghurt, Topfen und Käse sowie verschiedene Fleischprodukte erwerben.
Kennst du weitere Betriebe, von denen man kalbfreundliche Milch beziehen kann? Bitte hinterlasse uns eine Notiz im Kommentar-Feld.
Referenzen
Danke Wikimedia Commons (User: Uberpruster) für das Foto unter 3.0. license
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Siehe EU-Bio-Verordnung 889/2008 ↩
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Quelle: Bundesanstalt für Agrarökonomik ↩
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Sambraus HH. 1991. Nutztierkunde: Biologie, Verhalten, Leistung und Tierschutz. UTB für Wissenschaft: Agrarwissenschaften, Veterinärmedizin, Zoologie. Ulmer. ↩